deep river – Sammeln als Diskurs

Neugierde und Staunen als Sinnesregungen galten in Antike und Mittelalter bis hin zur frühen Neuzeit als entscheidende Voraussetzungen für die Wahrnehmung von Bildwerken und für die Entwicklung ästhetischer Kriterien. Mit dem offensichtlichen Untergang dieser im Laufe der Zeit Wandlungen unterworfenen, heute gelegentlich belächelten Kriterien und veraltet erscheinenden Begriffe ist ein ästhetisches Spannungspotential der Kunstbetrachtung verlorengegangen, das es wieder zu entdecken gilt. Mit der rasanten Entwicklung der Kommunikationsmöglichkeiten und der damit einherschreitenden ständig über uns kommenden Bilder- und Informationsflut haben sich auch Kunst, Kultur und deren Rezeption verändert. Einer derart gewandelten Welt entsprechen andere Formen künstlerischen Ausdrucks.

In diesem Zusammenhang kommt dem privaten Sammler eine bedeutende Rolle zu. Er wurde - spontaner noch als es den meistens Museen vergönnt ist - zum Mittler zwischen Kunst und Publikum. Zugleich ist er als Entdecker des Vorausweisenden und Gesprächspartner der Künstler ein wichtiger Repräsentant des Geistigen in unserer Zeit.

Der Verein der Freunde und Förderer des Museums der Stadt Ratingen freut sich, mit der Sammlung Ralph Kleinsimlinghaus einen aufschlußreichen Einblick in einen Aspekt aktueller Kunst geben zu können. Die sammlerischen Bemühungen von Ralph Kleinsimlinghaus sind ein überzeugendes Beispiel, wie mit offenem Blick für das Neue, mit wachem Spürsinn, mit mutigem Zugreifen und eigenständiger Meinung die Kunst unserer Zeit durch intensives Engagement demonstriert werden kann.

Die Ausstellung »deep river« zeigt 53 ausgewählte Bilder und Skulpturen von sechs Künstlern aus der Krefelder Sammlung Ralph Kleinsimlinghaus. Seit nunmehr knapp 20 Jahren sammelt Ralph Kleinsimlinghaus konsequent Gegenwartskunst. Die für die Ausstellung ausgewählten Künstler und Werke sind ein Paradigma seiner Vorgehensweise. In diesem Sinne ist der Titel »deep river« als Metapher in vielerlei Hinsicht geeignet, Sammlung und Künstler zu charakterisieren. Gleichzeitig spiegeln die unterschiedlichen sechs künstlerischen Position die Bandbreite zeitgenössischen Kunstschaffens wieder.

Der Verein der Freunde und Förderer des Museums der Stadt Ratingen, der sich als private Initiative neben der allgemeinen Förderung des Museums seit fast 15 Jahren im besonderen mit der Entwicklung und Durchführung von Ausstellungen zur Kunst nach 1945 befasst, startet mit dieser Veranstaltung ein Projekt zum Thema Kunst-Sammeln, dem weitere Ausstellungen folgen sollen.

In der letzten Zeit ist - ob zu Recht oder nicht - der Kunst-Sammler mehr als zuvor ins Licht der öffentlichen Diskussion gerückt, weil vor allem Museen für Gegenwartskunst der Vorwurf gemacht worden ist, sich zu sehr an einen Typus privater Sammler gebunden zu haben, der ihnen ganze Konvolute aktueller Kunst vorrübergehend zur Verfügung gestellt und später wieder abgezogen habe, um sie dann - nobilitiert durch die Museumspräsenz - gewinnbringend dem Markt zuzuführen. Ein Symposium zum Thema »Privates Kunst-Sammeln und Öffentlichkeit« soll über die verschiedenen Ansätze zum Privaten Kunst-Sammeln informieren, diskutieren und das Verhältnis zur Öffentlichkeit thematisieren.

Eine genaue Typologie des Sammlers müßte unzählige Bände füllen. Diese Spezies unterscheidet sich von seinen Artgenossen weniger durch das Sammlungsgut, als durch seine individuelle Position innerhalb und außerhalb seines Sammelgebietes und durch die Motivation seines oft bis zur echten Obsession gesteigerten Sammeltriebes. Dieser »Trieb« ist nicht nur hinsichtlich seiner Intensität verschieden, sondern auch in seiner Zielrichtung. Mit dem programmatischen Titel »Sammeln als Diskurs« ist eine Kategorie des Kunst-Sammelns gemeint, die sich zu Künstler und Werk in einer Art ständigen Auseinandersetzens befindet.

Es ist daher kein Zufall, dass wir unsere Serie mit einem jungen Sammler zeitgenössischer Kunst beginnen. Ralph Kleinsimlinghaus sammelt - mit fast nur einer Ausnahme - die Kunst der Künstler seiner Generation. Schwerpunktmäßig gehen hier das Auffinden, Entdecken und Auswählen, die geistige Auseinandersetzung einher mit dem gesteigerten »Umsichhabenwollen« als echtem Lebensbedürfnis, das - zumindest finanziell gesehen - nicht risikoarm ist. Wir sind dankbar, daß Ralph Kleinsimlinghaus bereit war, Teile seiner Sammlung den Freunden der Kunst zugänglich zu machen und damit der Auseinandersetzung mit Gegenwartskunst als das Leben mittragender geistiger Kraft einen Platz im öffentlichen Bewußtsein zu verschaffen.

Wir möchten an dieser Stelle allen sehr herzlichen danken, die am Zustandekommen dieses Ausstellungsprojektes beteiligt waren, insbesondere dem Sammler selbst und den Künstlern. Zu danken ist auch meinem Vorstandkollegen Dr. Burkhardt Richter, der die Ausstellung helfend unterstützt hat, und der Museumsleiterin Frau Dr. Ursula Mildner, die einmal mehr so freundlich war, dem Verein der Freunde und Förderer die Ausstellungsräume des Museums für etliche Wochen zu überlassen. Last - but not least - sei dem Museumsteam und etlichen Helfern für die gute Zusammenarbeit.

Dr. Marie-Luise Otten | Vorsitzende

Freunde und Förderer des Museums der Stadt Ratingen