Geschichten von Herrn K.

Eigentlich kenne ich Herrn K. schon recht lange und vielleicht bin ich derjenige, der K. am längsten kennt, nämlich schon von Jugend an: als Herr K. noch nicht Herr K. war, sondern noch ein kleiner Schuljunge, zeigte sich schon sein durchaus ausgeprägter Sammeltrieb: die Briefmarken aus Großmutters Schatulle, die damals noch vorhandenen Schätze auf dem Sperrmüll, die Trouvaillen vom Flohmarkt, nichts schien vor ihm sicher zu sein. Als ich ihn einmal von der Schule nach Hause begleitete, bog er auf dem Weg ab zu einer Altpapierverwertung, wo er bereits freudig erwartet wurde und mit den Tageseingängen von alten Büchern, Dokumenten und staubigen Akten versorgt wurde, die er dann sicherlich an diesem Nachmittag seinen Hausaufgaben vorgezogen hatte. Wie er später seinen Schulabschluß hatte machen können, ist mir bis heute ein Rätsel. Viele Jahre später traf ich K. wieder, der gerade mit dem Studium der Kunstgeschichte beschäftigt war und mir erklärte, daß er gerade in seiner Heimatstadt eine Galerie eröffnet habe und schon seit einiger Zeit auch moderne Kunst sammeln würde. Ich besuchte K. zuhause und staunte über die vielen Bilder und Skulpturen, die seine damals bescheidene Wohnstatt anfüllten. Irgendwie faszinierte mich diese Berührung mit Kunst und ich begann, Galerien und Kunstmärkte zu besuchen und fing auch zaghaft an, selber im Rahmen meiner Möglichkeiten Kunst zu sammeln. Irgendwann ist K. dann wohl nach Düsseldorf gegangen, wo ich ihn dann auch einmal besuchte. K. zeigte mir dann in seiner Kunstsammlung äußerst seltsame Dinge: zum Beispiel die Bilder eines Malers, der 100 mal ein abstraktes Bild in der gleichen Grundform malte, und das in durchaus unattraktiven Farben wie Grellorange, Krankenhausweiß und Schmutzigblau. Dann zeigt mir K. ein Schild, das auf die Wand montiert war und von sich behauptete, dahinter keinen Raum zu verbergen, außerdem habe man irgendwie das Anrecht auf 1000 rote Türen – ich verstand nichts mehr und bezweifelte K.'s Geisteszustand. Dann zeigte K. mir Skulpturen, die ein anderer Künstler wohl anscheinend nur aus dem Grunde gemacht haben sollte, um darin seinen eigenen Müll zu verbergen. Zugegeben, diese Riesenkartoffeln ähnelnden Haufen sahen sehr hübsch aus, aber den Müll eines anderen ins eigene Wohnzimmer stellen ? Dann waren da noch die blauen Lichtkästen eines Japaners, der die deutsche Romantik zu suchen schien und ein unendlich langes Bild einer Malerin prangte auf einer großen Wand, das aus unendlich langen Strichen zu bestehen schien und K. erklärte mir, daß die Künstlerin den längstmöglichen Pinselstrich auf diesem Bild verewigt habe und das gleich mehrfach. Ach, und beinahe hätte ich vergessen, diese äußerst unruhigen abstrakten Bilder zu erwähnen, die in allen möglichen Größen in K.`s Räumen hingen: laute Formen in schreienden Farben, deren Betrachtung mich nervös machte. Da ich mich in der Zwischenzeit schon gut in der zeitgenössischen Kunst auszukennen glaubte, sagte ich: " Mein lieber K, keiner der Urheber Deiner gesammelten Kunstwerke war auf einem der letzten Kunstmärkte vertreten, und alles was Du hier hast, scheint nicht angesagt zu sein ". K. schaute mich an, sagte nichts und lächelte. Da verstand ich, daß ich noch sehr viel lernen mußte.

Robert van Rossum